Das Reisethema

Geschichte in Geschichten:
Schwäbische Reichsstädte III

von Rolf Lohberg

Hier regierte der Bürgerstolz

Eine Stadt wie Esslingen konnte sich's leisten, dem württembergischen Landesherrn (der gleich nebenan wohnte) ab und zu eins aufs Haupt zu geben und Stuttgart, damals Residenz und heute Landeshauptstadt, zu zwingen, sich 1312 "dem Reich und der Stadt Esslingen" zu unterwerfen.

Esslingen ist auch ein Beispiel dafür, wie die schwäbischen Reichsstädte ganz nach eigenem Gutdünken zu Vereinigungen zusammenfanden, ohne den Adligen im Lande auch nur eine Visitenkarte zu schicken. Der Schwäbische Städtebund war im 14. Jahrhundert der Schrecken aller sonst so lauten Landesfürsten, und 1408 wurde in Esslingen der "Schwäbische Bund" gegründet. Schon vorher, von 1418 bis 1443, war die Stadt in der "Esslinger Einigung" mit den wichtigsten Neckarstädten verbündet: mit Wimpfen und Heilbronn, mit Reutlingen und Rottweil. Auch Weil der Stadt, ein wenig abseits, gehörte diesem Bund an.

Dieses von den Staufern gegründete Städtchen war zwar geradezu sagenhaft klein, fühlte aber von jeher, dass es eigentlich etwas Besseres war. Sein Name kam vom römischen "Villa", dem Gutshof, und so führt Weil bis zum heutigen Tag stolz das römische "SPQR" im Wappen - "Senat und Volk von Rom". Es sollte auf Weils republikanische Verfassung hinweisen. Mit den schönen alten Bauten und einem eindrucksvollen historischen Marktplatz trotzte Weil über 500 Jahre lang der Habgier der Württemberger und liess sich dann nur von seinem Gemeinderat - der Torheit voll, wie Gemeinderäte zuweilen sind - den schönen Namen verschandeln: Die edle Formulierung "Rat und Bürgerschaft zu Weil, der Stadt" wurde zu "Weil der Stadt" umgeschlossert.

Die Neckarstädte - Esslingen eingeschlossen - spielten damals eine grosse Rolle. Wimpfen war als "königliches Wimpfen" und grosse staufische Kaiserpfalz bedeutender als das benachbarte Heilbronn, hatte eine beispielhaft demokratische Ratsverfassung, war Mitglied mehrerer Städtebünde - und musste dann nur erleben, dass bei einem Hochwasser seine Neckarbrücke brach und jahrhundertelang nicht wieder hergestellt wurde. So nahm der Handelsverkehr andere Wege, Wimpfen verarmte, blieb aber wunderhübsch - mit dem Erfolg, dass man sich dort noch heute gut vorstellen kann, dass eine Reichsstadt nicht gross sein musste, um bedeutend zu sein.

Rottweil hatte schon Jahrhunderte vor anderen Neckarstädten eine Namen: Es war bereits zur Römerzeit bekannt und stand im Mittelalter in hohem Ruf. Der war international, denn die Freie Reichsstadt Rottweil schloss sich als einzige deutsche Stadt 1436 den Schweizer Eidgenossen an. 1519 wurde der Vertrag unbegrenzt verlängert - und versehentlich nie aufgehoben. So betrachtet, sind alle Rottweiler noch heute Eidgenossen.

Doch auch anderes hat sich in Rottweil erhalten: eine mittelterliche Innenstadt. Aber Handel und Handwerk haben ihre Wurzeln ebenfalls in der grossen reichsstädtischen Zeit: Die Rottweiler Zünfte (zuletzt waren es neun) haben sich im vergangenen Jahrhundert neu formiert und spielen im Brauchtum der Stadt eine wichtige Rolle. Sogar einige Musikvereine haben ihre reichsstädtische Vergangenheit.

>> Schwäbische Reichsstädte VI


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