Das Reisethema

Geschichte in Geschichten:
Schwäbische Reichsstädte VII

von Rolf Lohberg

Hier regierte der Bürgerstolz

Schwäbisch Hall hat eine ganz eigene Geschichte: Die Bürger mussten sich - obwohl die Stadt seit 1280 frei war - bis ins 16. Jahrhundert mit dem Adel auseinandersetzen, der nicht von seinen Vorrechten lassen wollte.

Bis 1512 die Haller Salzsieder und andere Handwerker wütend wurden und den adligen Patriziern drohten, sie hinauszuwerfen. Die gingen dann von selbst.

Ulm schliesslich: Da gab es nie eine korrekte Reichsstadt-Gründung; die Angelegenheit lief gewissermassem zufällig ab. Die Stadt war seit dem Jahr 800 eine Königspfalz, wurde die Lieblingspfalz und damit die grösste der Stauferkaiser. Barbarossa hielt hier 1152 seinen ersten Hoftag, kam dann aber noch mindestens siebenmal her. 1161 bekam Ulm das Stadtrecht. Das liess es sich 1275 durch Rudolf von Habsburg bestätigen. Der stimmte zu, auf der Grundlage des Esslinger Stadtrechts.

So wurde Ulm unversehens - dank dem Esslinger Vorbild - eine Freie Reichsstadt. Die Ulmer wussten das sehr zu schätzen, aber so ganz kamen sie damit nicht zurecht, denn nun gab es zwischen Zünften und Patriziern fast einen Bürgerkrieg: Wer denn nun in der Stadt das Sagen habe. Doch 1397 wurde am "Grossen Schwörmontag" der innerstädtische Friede wieder hergestellt.

Diesen "Schwörmontag" feiert Ulm seitdem treu und brav jedes Jahr am vorletzten Montag im Juli. Und nicht nur ihn: Auch der "Bindertanz" und das Historische Fischerstechen blieben aus reichsstädtischer Zeit (wobei das Fischerstechen nur alle vier Jahre stattfindet).

Auch anderes blieb erhalten: Das Fischer- und das Gerberviertel, Rathaus und Schwörhaus, Mauern und Türme -sowie ein weltberühmtes Bauwerk, das seine Existenz der reichsstädtisch-strategischen Politik Ulms verdankt. Die Ulmer fanden nämlich, dass ihre hübsche Pfarrkirche zu weit ausserhalb der Mauern stand. Wenn der Feind anrückte, gab es keinen Gottesdienst mehr. Deshalb legten sie 1377 den Grundstein zu einer Kirche mitten in der Stadt. Daraus wurde dann das Ulmer Münster.

Eine Kuriosität für sich sind die drei Reichsstädte in der schwarzwälderischen Ortenau: Offenburg, Gengenbach und Zell. Von den Schwäbischen Städtebünden hielten sie nichts; sie machten das unter sich aus, denn sie waren Drillinge - mit dem gleichen Geburtstag. Und wenn den Zellern die Spesen missfielen, die für den Besuch eines Reichstages nötig waren, dann blieben sie zuhause und gaben den reicheren Offenburgern ihre Stimmen mit auf den Weg.

Der historisch wichtige Ort war Gengenbach, eigentlich ein königliches Kloster, das 1230 die Stadtrechte bekam. Sein Abt Lambert setzte 1360 die Reichsfreiheit durch - und nahm die Nachbarorte Zell und Offenburg gleich mit: Alle drei wurden über Nacht zu (allerdings ganz erstaunlich kleinen) Reichsstädten.

Gengenbach wuchs heran und bietet noch heute das charmante Kleinstadtbild, wie es, nachdem 1689 französische Truppen den Ort abbrannten, nach und nach entstand. Man kam später nie mehr dazu, die verwinkelten und verträumten Gässchen abzureissen und moderner zu bauen - glücklicherweise.

Offenburg wurde die Hauptstadt der Ortenau. An die reichsstädtische Zeit, als hier die Zünfte das Sagen hatten, erinnern noch manche Strassennamen, die zu den dort wohnenden Handwerkergilden passten.

Zell ("am Harmersbach", wie es offiziell heisst) blieb die kleinste von den dreien (vermutlich die damals kleinste Freie Stadt im ganzen deutschen Reich). Sie wurde aber nach und nach musterhaft angelegt. Man kann dem Stadtplan noch heute nachspüren und findet allerlei Betagtes wie die Stadtmauer oder den Storchenturm, vor allem aber viel gewachsenes Brauchtum und eine wache Liebe zum Historischen. Die Uniformen der alten Bürgerwehr tragen die Zeller heute noch mit Stolz.

Es gibt da auch einen Wanderweg, den "Reichstalpfad". Der geht auf eine alte Geschichte zurück. Er führt nämlich durch jenes Harmersbach-Tal, an dem Zell liegt - aber auch eine ganze Reihe anderer, kleinerer Orte. Jahrhundertelang wurden die Harmersbacher, die da in einem Dutzend Dörfchen hausten, von einem geldgierigen Talherren zum anderen geschoben. Die städtischen Zeller dagegen lebten - im grössten Ort des Tales - in ihrer reichsstädtischen Freiheit munter dahin. Bis sich die anderen Harmersbacher, auf uralte Privilegien pochend, durchsetzten und 1718 auch für sich die Reichsfreiheit ertrotzten. So entstand das einzige "Freie Reichstal", das es je gegeben hat.

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